Foto: Mammut Archiv
Die Geburt der neuen Route am Cerro Kishtwar: „Har Har Mahadev“
Am 14. Oktober 2017 steht der Mammut Pro Team Alpine Athlet Stephan Siegrist (SUI) zusammen mit den zwei Alpinisten Julian Zanker (SUI) und Thomas Huber (GER) am Gipfel des Granitgiganten in Kaschmir. Ihr Ziel war die bisher noch undurchstiegene zentrale Nordwestwand des Cerro Kishtwar. Dieses Ziel haben Sie erfolgreich gemeistert. Eine neue Route ist geboren.
Siegrist, Huber, Zanker an Cerro Kishtwar
Am 7. September startet das Dreierteam aus dem Mammut Athleten Stephan Siegrist sowie Thomas Huber und Julian Zanker ihr Abenteuer im Kaschmir Himalaya. Am 13. September erreichen sie das Basislager. Bestes Wetter gönnt dem Team keine Pause und sie können bereits am 18. September das vorgeschobene Basislager (ABC) auf 5050 Meter etablieren. Nach mehreren Materialtransporten und Vorbereitungen steigt das Team am 1. Oktober in die Wand ein. Ihren Plan, diese in fünf Tagen zu durchsteigen, können sie nicht einhalten. Aus taktischen Gründen brechen sie ihren ersten Durchstiegsversuch ab und kehren ins Basislager zurück. Mit neuer Kraft und frischer mentaler Einstellung sind sie am 8. Oktober wieder zurück, mitten im Abenteuer! Das Wetter ist stabil. Morgens wolkenlos, mittags aufziehende Bewölkung, nachmittags Schneefall. Das Team hat mit vereisten Rissen, Spinndrift und extremer Kälte bis zu -20 °C zu kämpfen. Dazu ist harte Technokletterei bis A3+ gefordert. Am Gipfeltag, dem 14. Oktober, werden sie dafür mit sonnigem Wetter belohnt. Auf die Frage hin, wie es zu der Idee kam, antwortet Steph Siegrist:
„Bei unserer Besteigung 2011 haben wir auf der Nordwestseite des Cerro Kishtwars eine Eislinie ausgemacht, die sich in zwei Tagen im Alpinstil klettern liess. Bei dieser Besteigung hatten wir immer auch wieder einen tollen Blick in die unendliche Felswand der direkten Nordwestwand. Diese Wand liess mich über die Jahre nicht mehr los.“ Weiter sagt er: „Die Wand hat meine Erwartungen betreffend der Schwierigkeiten deutlich übertroffen. Mit dem Schneefall nachmittags und der Kälte wurde es richtig hart in den sieben Tagen in der Wand. Dafür hatten wir wie zu erwarten kaum objektive Gefahren in der grossen, teils überhängenden 1000-Meter Wand. Eine Wand in der Höhe mit so homogenen Schwierigkeiten gibt es wohl kaum ein zweites Mal. Der Gipfeltag war der einzige Tag an dem wir gutes Wetter geniessen konnten. Wir wurden mit Sonnenschein und kaum Wind belohnt. Nach so vielen Tagen in der Kälte und mit Schneefall ein richtiges Geschenk, das wir entsprechend genossen haben. Der Gipfelmoment nach all den harten Tagen, mit zwei guten Freunden in der Wand, war gross und ging emotional jedem von uns tief unter die Haut.“
Benannt haben die drei Athleten die neuerschlossene Route durch die Nordwestwand des Cerro Kishtwar mit: „Har-Har Mahadev“, einem Ausdruck aus der hinduistischen Mythologie mit der Bedeutung: «Steigere die moralischen Werte, damit du die Angst überwindest, um gefährliche Situationen zu meistern“!
Ausführliches Interview mit Stephan Siegrist
Klettergeschichte des Cerro Kishtwar
1992 versuchten die beiden Engländer Andy Perkins und Brendan Murphy diese Wand zu durchsteigen. Nach 17 Tagen mussten sie 100 Meter unter dem Gipfel erschöpft aufgeben. Ein Jahr später kletterten die Engländer Mick Fowler und Steve Sustad über eine Eisrampe im linken Teil dieser Wand in eine Scharte auf etwa 5600 Meter, wechselten dann auf die etwas flachere Ostseite des Berges und erreichten als erstes Team den Gipfel. Im Anschluss wurden die Berge in Kaschmir aus militärischen und politischen Gründen über Jahre für ausländische Bergsteiger gesperrt. Anfang 2010 wurde die Sperre aufgehoben und Stephan Siegrist, Denis Burdet und David Lama waren 2011 die erste Expedition in dieser Bergregion. Ihr Ziel war es, im Alpinstil den Cerro Kishtwar zu besteigen. Über eine Eisspur auf der Nordwestseite, rechts neben der markanten Granitwand, erreichten sie als zweites Team den Gipfel. 2015 erkletterten Hayden Kennedy, Marco Prezelj, Manu Pellisier und Urban Novak im Alpinstil über die Ostwand den Granitturm und erhielten dafür den Piolet d`Or.